Klaus Jöken beantwortet eure Fragen

Allgemeine Themen, die etwas mit Asterix zu tun haben und Vorstellung aktueller Asterix-Hefte, -Filme und -Produkte.

Moderatoren: Erik, Maulaf

Antworten
KlausJöken

Re: Klaus Jöken beantwortet eure Fragen

Beitrag: # 47752Beitrag KlausJöken »

8. Uderzo hat die Conrads Bleistiftvorzeichnung begutachtet und Korrekturen vorgenommen, nicht direkt auf den Zeichnungen, sondern auf Pauspapier, das über die Zeichnungen Conrads gelegt wurde. Besonders war das auf den ersten vier Seiten der Fall.
Außerdem hat Uderzo den Kopf des Monsters Fafnie entworfen und beim Entwurf einiger Figuren wie Camilla und Plusminus mitgewirkt. Conrad meinte dazu: "Wenn jemand wie Uderzo sagt, das und das muss geändert werden, dann diskutiert man nicht."

9. Beim Verfassen der Geschichte hatte Jean-Yves Ferri freie Hand. Uderzo hat nur einige generelle Vorschläge gemacht, zum Beispiel, den Anfang der Geschichte im Winter spielen zu lassen, weil das besser zur Situation mit dem im Eisblock angespülten Pikten passt. Ferri hatte auch lange Zeit, an seinem Skript herumzufeilen. Bei den Zeichnungen war das anders, weil Didier Conrad rasch einspringen musste, ursprünglich war nämlich ein anderer Zeichner vorgesehen. Da Conrad sich unter extremem Zeitdruck (achte Monaten) in die Asterix-Welt einarbeiten und das Album zeichnen musste, hat Uderzo hier verstärkt mit Hand angelegt.
KlausJöken

Re: Klaus Jöken beantwortet eure Fragen

Beitrag: # 47753Beitrag KlausJöken »

10. Die Auflagenhöhe der Luxusedition habe ich leider nicht parat, da müsste ich mich erkundigen.

11. Die Idee zu den Luxusausgaben hatte der französische Verlag, der auch das Format bestimmt. Ursprünglich kam das daher, dass sich Uderzo seine Hand buchstäblich krummgezeichnet hat. Seit etwa 25 Jahren ist er außerstande, einen Pinsel zum Tuschen zu halten. Darum hat er seitdem detaillierte Bleistiftvorzeichnungen angefertigt, über die ein Assistent dann die Tuschelinien nachgezogen hat. Zum Schluss wurde der Bleistift wegradiert. Mit anderen Worten war das eigentliche Original von Uderzo dann verloren. Darum kam die Idee, die Bleistiftzeichnungen vor dem Tuschen zu scannen und als Facsimile in einer Luxusausgabe abzudrucken. Facsimile heißt auch, dass sie in Originalgröße wiedergegeben werden. Ursprünglich wird nämlich in DIN A3-Format gezeichnet und auf DIN A4 verkleinert gedruckt. So verschwinden für das Auge des Lesers kleine Unvollkommenheiten. Obwohl bei es bei Uderzos früheren Tuschezeichnungen keine Unvollkommenheiten gab. Seine Striche sind unglaublich präzise.
KlausJöken

Re: Klaus Jöken beantwortet eure Fragen

Beitrag: # 47754Beitrag KlausJöken »

12. Im Prinzip gerne. Allerdings ist dabei zu bedenken, dass ich mitten in Gallien wohne, stilecht in der Nähe von Gergovia. Für den Versand nach Germanien müsste ich 8 Euro berechnen (6,80 für Porto plus Verpackung). Wenn Interesse besteht und mir jemand 20 Euro überweist, könnte ich gleich ein druckfrischen Exemplar (Hardcover) mit Widmung schicken.
Sonst tut's vielleicht auch einfach eine Postkarte?
Benutzeravatar
Erik
AsterIX Druid
Beiträge: 8062
Registriert: 8. August 2004 17:55
Wohnort: Deutschland

Re: Klaus Jöken beantwortet eure Fragen

Beitrag: # 47757Beitrag Erik »

Hallo,

und zunächst einmal auch von mir ein ganz herzliches Willkommen an Klaus Jöken in "unserem" Forum! Es freut mich sehr, daß hier einmal die Gelegenheit zu einem "direkten Gespräch" besteht. :-)

Bevor ich zu meinen eigentlichen Fragen komme, möchte ich einige kurze Gedanken bzw. Nachfragen zu den obenstehenden Aussagen äußern.
KlausJöken hat geschrieben:Wirklich stolz bin ich aber, wenn ich einen Gag einbauen konnte, der im Original gar nicht vorkommt. Also ein Extrabobon für den deutschen Leser.
Und daß das an gar nicht so wenigen Stellen gelungen ist, zeigt auch die vergleichende Analyse, die Jaap Toorenaar verfaßt hat (und auf Anfrage versendet). Mit größtem Erstaunen habe ich da z.B. zur Kenntnis genommen, daß das "Freiheit! Gleichheit! Brüderlichkeit!" auf S. 11, Bild 7, ebensowenig aus dem französischen Original stammt, wie die Anspielung auf den Asterix-Einleitungstext auf S. 38, Bild 6.
KlausJöken hat geschrieben:Ja, das mit dem "unvollständigen Karomuster" für Streifen ist eine geniale Idee von Ferri.
Wobei ich mal stark annehme, daß die Verlängerung des Scherzes auf dem letzten Bild der Seite, daß Mac Abberh seine Leute ausgerechnet "auf Streife" schickt, dann ein Einfall von Dir ist. ;-)
KlausJöken hat geschrieben:Mir ist vor allem eine Kontinuität mit den Penndorf-Übersetzungen wichtig...
Diese Aussage überrascht mich! Wenn ich die von Dir übersetzten Bände, v.a. "Gallien in Gefahr" und jetzt die "Pikten", lese, sehe ich ganz deutliche Unterschiede zu den von Gudrun Penndorf übersetzten Bänden. Ich muß zugeben, daß ich dies anfangs gewöhnungsbedürftig fand. Mittlerweile gefällt mir (auch) dieser neue Stil. Insofern hätte ich schon angenommen, daß Du von Anfang an ganz bewußt auch den Mut hattest, Deinen eigenen Übersetzungsstil in Asterix einzubringen. - Deutlich finde ich z.B. das Ausreizen von Wortfamilien und -stämmen (in Bd. 33 z.B. Schwarzkittel, Schwarzwurz, schwarzen Ecken, Shwor-Zi ..., in Bd. 35 natürlich viel mit "pik" und "mack"). Das finde ich in den früheren Bänden nicht so, aber es hat auch seinen Reiz. Man merkt dabei mehr, daß bei nahezu jeder Sprechblase versucht wurde, das Optimum an Humor herauszuholen und sie innerhalb des "Systems" des jeweiligen Bandes mit einem Eigenwert zu platzieren. Das kann mal gestellt wirken, birgt aber auch einiges an Humorpotential und kommt dem französischen Witzstil der phonetischen Gleichklänge sicherlich sehr nahe. An vielen Stellen muß man jedenfalls mehr als einmal lesen, um (hoffentlich überhaupt) alles mitzubekommen, was dann natürlich wieder eine Gemeinsamkeit mit früheren Bänden ist. Und auch sucht man platte Werbesprüche dort wie hier zum Glück vergebens.
KlausJöken hat geschrieben:Ursprünglich wird nämlich in DIN A3-Format gezeichnet und auf DIN A4 verkleinert gedruckt.
Soweit ich gelesen habe (Luxusedition, S. 72), wird sogar jede Halbseite auf A3 gezeichnet, so daß eine ganze Seite effektiv sogar ein A2-Format füllt.
KlausJöken hat geschrieben:Sonst tut's vielleicht auch einfach eine Postkarte?
Was meinst Du mit "Postkarte"? Hast Du Autogrammkarten mit Foto von Dir, die Du dann signierst? - Einen signierten Band habe ich schon (es gab da ja mal diese Ehapa-Aktion), aber eine Autogrammkarte als signiertes Foto des Übersetzers, das hätte natürlich noch wieder seinen eigenen Reiz. ;-)

Eine Detailfrage, die sicher nicht für Marco's Interview geeignet ist, möchte ich voranstellen. Du hast ja auch die Luxusedition übersetzt. Ich habe die Texterklärung auf S. 57 mehrfach gelesen und verstehe einfach nicht, was da erklärt werden soll. In "Pikten", S. 17, Bild 9, ist also eine Anspielung auf eine Szene aus "Olympische Spiele" enthalten. Da sagt Asterix diesen im Original doppeldeutigen Satz: "Ich glaube er hat einen Marsch verpaßt." Das ist nicht übersetzbar und kann deshalb auch nicht aufgegriffen werden. Gut soweit. Aber wie wird es denn im Original an der Stelle wieder aufgegriffen? Findet sich in dem Bild einfach der gleiche Dialog aus "Olympische Spiele" nochmal? - Mit den deutschen Texten in den Sprechblasen bringt die Erklärung dieser Seite mir irgendwie keinen Erkenntnisgewinn. :-/

Nun aber zu meinen eigentlichen Fragen:

13. Macht Asterix-Übersetzen eigentlich Spaß? Oder ist es einfach verdammt harte Arbeit, weil die Erwartungen von Verlag, Urhebern und Fans so enorm hoch sind (und dann auch noch die Presse dauernd Interviews will)?

14. Ich weiß, daß es eine heikle Frage ist, wage sie aber trotzdem mal: Wie wird man als Übersetzer heutzutage eigentlich vergütet? Wird ein Pauschalbetrag für einen Comicband vereinbart, geht das nach Arbeitsstunden oder wird man prozentual aus den Verkaufserlösen beteiligt? - Wenn Du dazu gar nichts sagen kannst/darfst/willst, ist das natürlich auch okay. Aber da es ja über dieses Thema den bekannten Rechtsstreit mit Deiner Vorgängerin gab, würde es mich halt zumindest im Groben mal interessieren, was da üblich ist.

15. Wie muß man sich die Tätigkeit eines Asterix-Übersetzers vorstellen? Sitzt Du eher Monate lang einsam grübelnd im stillen Kämmerlein, wälzt Du dabei (Wörter-)Bücher oder ist es am Ende doch eher das Team-Work in der "Wiener Runde", bei dem jeder Beteiligte noch etwas beiträgt und einbringt, das die gute Übersetzung bringt?

16. Die (englischen) Liedtexte von Mac Aphon's Borborygmen hast Du ja nicht übersetzt, die sind so schon im französischen Original vorhanden. Weißt Du zufällig, weshalb der Verlag dann für die deutsche Ausgabe nicht auch die extra von Didier Conrad dafür entworfene Runenschrift (vgl. Luxusedition, S. 57) übernommen, sondern eine Maschinenschrift verwendet hat?

17. Es ist ja vielfach geäußert worden, daß Comic-Übersetzung häufig mehr ein Übertragen als ein starres Übersetzen ist. Wie sehr ist denn vor diesem Hintergrund die Qualität der Texte in der Originalsprache ausschlaggebend für eine gelungene deutsche Version. Oder mit anderen Worten: Kann man von einer lustigen und geistreichen deutschen Fassung überhaupt noch darauf rückschließen, ob auch das französische Original gut ist? Oder könntest Du als Übersetzer auch aus einem eher faden Original noch einen humorvollen deutschen Band kreieren?

18. In einem Vortrag hast Du mal geäußert, daß Du in "Gallien in Gefahr" besonders die Übertragung der Szene mit den Piraten (z.B: "Mi' klingen die Oh'en! Wa' das ein Vulkan hie'?") als gelungen empfindest, weil da besonders viel (auch gegenüber dem Original Neues) an Witz drinsteckt. Gibt es vielleicht im aktuellen Band, "Asterix bei den Pikten", auch eine Szene, über deren Gelingen Du ganz besonders glücklich bist?

Gruß
Erik
"Alle sollt ihr noch sehen, daß ich habe recht!" (Erik der Blonde, Die große Überfahrt, S. 5)
KlausJöken

Re: Klaus Jöken beantwortet eure Fragen

Beitrag: # 47759Beitrag KlausJöken »

Hallo Erik,

das sind nun eine Menge Fagen, die ich peu à peu abarbeiten muss. Die Antworten kommen aber bestimmt.

Zunächst einmal zu deinen allgemeinen Fragen: Mit meiner Aussage, dass ich mich am Penndorf-Stil orientiere, meinte ich nicht, dass ich ihn sklavisch imitiere. Ich gehe von dem, was Frau Penndorf geschaffen hat aus und versuche, diese Techniken weiter auszubauen. Du hast recht, dass ich mehr mit der Phonetik spiele, was näher am Französischen ist. Die Namen der Pikten muss man manchmal laut aussprechen um zu verstehen, was gemeint ist (Mac Pom wie Mecklenburg-Vorpommern).

Vor allem halte ich mir immer vor Augen, dass Asterix von allen gelesen wird, also für jede Leserschaft etwas drin sein muss. Es kommen simple Kalauer vor, die ein achtjähriges Kind versteht (die wollen ja auch lachen), und subtile Anspielungen für Akademiker. Das darf allerdings nie platt sein: Einen Gag mit Mac Donalds bei den Pikten hätte ich mir z. B. nie erlaubt, das ist zu offensichtlich.
Der Gag mit dem "unvollständigen Karomuster" für Streifen ist ein gutes Beispiel. Ein gelungener Gag von Ferri, über den jeder lacht. Dass die beiden Pikten anschließend "auf Streife" geschickt werden, habe ich zusätzlich eingebaut. Die meisten (alle?) werden das erst einmal überlesen, was auch beabsichtigt ist. Auch bei der dritten oder vierten Lektüre soll der Leser noch über Pointen schmunzeln, die ihm vorher nicht aufgefallen sind.
Asterix ist ja extrem vielschichtig, sowohl der Text als auch die Zeichnungen. Hier in Comedix wird ja einiges entschlüsselt an Aspielungen, aber damit ist gerade einmal die Oberfläche angekratzt. Bei den Übersetzungen geht naturgemäß viel davon verloren, also Dinge, die nur der französische Leser versteht. Wenn ich das durch eigene "Erfindungen" ausgleiche, hat der deutsche Leser anschließend das gleiche Vergnügen wie der französische Muttersprachler. Das wäre jedenfalls das Ziel.
KlausJöken

Re: Klaus Jöken beantwortet eure Fragen

Beitrag: # 47760Beitrag KlausJöken »

Noch einmal zu Eriks Anmerkungen:

Die Stelle mit dem "Marsch" ist ein gutes Beispiel, um die Übersetzungsarbeit zu erläutern. In "Asterix bei den Olympische Spielen" möchte Troubadix seinen Olympischen Marsch vorspielen, was Automatix auf durchschlagende Weise zu verhindern weiß. Als ihnen Troubadix so vor die Füße plumpst, fragt Methusalix: "Was hat er denn?" und Asterix antwortet: "Der hat einen Marsch verpasst." "la marche" ist im Französischen doppeldeutig und bedeutet "Marsch" im Sinne von Militärmusik, und gleichzeitig "Treppenstufe". "eine Treppenstufe verpassen" ist ein Synonym für "stolpern". Die Aussage von Asterix ist hier also doppeldeutig und kann interpretiert werden als "Der ist gestolpert." oder "Der hat sein Marschkonzert verpasst."
In der deutschen Übersetzung steht da: "Der ist über seine eigenen Noten gestolpert." Wobei die Doppelbedeutung verlorengeht.

In "Asterix bei den Pikten" will Troubadix einen "kaledonischen Marsch" spielen, was Automatix wieder verhindert, so dass der Barde ins Wasser plumpst. Danach derselbe Dialog "Was hat er denn?" "Der hat wieder einen Marsch (eine Stufe) verpasst." Ferri hat die Szene als Verweis auf die "Olympischen Spiele" eingebaut, eine kleine Anspielung auf die Asterix-Periode, die ihm am besten gefällt.
Im Deutschen war das nicht nachzumachen: "Der ist wieder über seine eigenen Noten gestolpert." hätte nicht in die Sprechblase gepasst und fällt deswegen schon flach, außerdem hätte der deutsche Leser die Anspielung wohl nie kapiert. Meine Lösung darum: "Ins Wasser gefallen!" Zugegeben ein extrem simpler Kalauer, der aber durch den zweiten Satz austariert wird: "Wie ein nasser Sack!", ein eher optische Gag, weil sich Troubadix im Wasser verzweifelt an seinen Dudelsack klammert. Das ist natürlich einfach gestrickt und richtet sich an die ganz jungen Leser, die ja auch etwas zu lachen haben sollen. Goscinny brachte ja ebenfalls regelmäßig solche groben Kalauer.

Nun fehlt darin die von Ferri beabsichtige Anspielung auf einen alten Goscinny-Asterix. Das gleiche ich darurch aus, dass unsere piktische Held, der kurz darauf seine Sprache wiederfindet, Mac Aphon genannt wird. Gesprochen wird das im Deutschen wie "Megafon", diese Apparate, die auf Massenveranstaltungen immer mal funktionieren, mal nicht, wodurch der Name gut zu dieser Figur passt. Außerdem verweist er auf eine Textstelle in "Streit um Asterix", als Automatix den Barden fragt: "Na Troubadix, noch immer aphon?"

Also wenn ein Wortspiel, ein Stilmittel einfach nicht zu übersetzen ist, wir das von mir immer ausgeglichen durch einen anderen Gag möglichst an der selben Stelle oder dicht daneben.
KlausJöken

Re: Klaus Jöken beantwortet eure Fragen

Beitrag: # 47766Beitrag KlausJöken »

13. Doch, die Asterix-Übersetzungen machen mir tatsächlich Spaß. Um vom Übersetzen leben zu können, muss man an die vier, fünf Comics im Monat schaffen, das heißt also echte Fließbandarbeit. Wenn ich mir für einen Asterix sechs Monate Zeit nehmen kann (inklusive Vorbereitung, Lektorat, Interviews usw), habe ich endlich mal Gelegenheit zu zeigen, was man als Übersetzer bewerkstelligen kann. Also von der professionellen Seite aus gesehen sind das ideale Bedingungen.
Der Druck ist einerseits groß, man darf nicht empfindlich auf Kritik reagieren. Bei einigen Millionen Lesern (eine unvorstellbare Zahl), sind darunter immer welche, denen es nicht gefallen hat und die das auch kundtun. Aber bis jetzt haben die positiven Reaktionen eindeutig überwogen. Außerdem wohne ich ja in Frankreich und werde hier nicht so groß beachtet als deutscher Übersetzer. Also selbst wenn ich mal einen Asterix versieben sollte, könnte ich mich doch noch auf die Straße trauen...

14. Tatsächlich ein heikles Thema. Als Literaturübersetzer verdient man ja nur unwesentlich mehr als ein pakistanischer Hilfsarbeiter in Katar... Seit dem Penndorf-Urteil haben die Kollegen Anspruch auf eine (winzige) Auflagenbeteiligung, die allerdings nur bei echten Bestsellern etwas bringt. Also mit Asterix und Lucky Luke kann ich mich durchs Leben schlagen. Wenn ich in Frankreich lebe, bedeutet das nicht, das ich im Moment in einer Hängematte aufs Mittelmeer schaue. Mein Wohnort liegt im Zentralmassiv, wo man in der Ferne die Wölfe heulen hört...
Insgesamt ist das schon ein wichtiges Thema. Im Verhältnis zu einem "normalen" Comic habe ich, wie bereits erwähnt, mit Asterix den dreißigfachen Aufwand. Da muss auch die Bezahlung dementsprechend sein. Sonst kann ich's auch billiger liefern, aber dann ist nicht mehr dieselbe Qualität da...
KlausJöken

Re: Klaus Jöken beantwortet eure Fragen

Beitrag: # 47767Beitrag KlausJöken »

15. Idealerweise habe ich einen Monat Vorbereitung, um mich in die Asterix-Welt einzulesen und mir schon einige Gedanken zu machen, also in diesem Fall z. B.: Welche Wortspiele kann man mit Pikten bilden...
Wenn endlich das Manuskript eintrifft, mache ich mich ans Übersetzen, was etwa fünf Tage dauert. Damit habe ich eine gute deutsche Version, die noch adaptiert werden muss. Diese Adaptation ist die eigentliche Arbeit, die etwa vier Monate dauert, bei einer normalen 40-Stunden Woche. Im Falle der Pikten hatte ich aber nur zwei Monate zur Verfügung, weil der erste Zeichner das Handtuch geworfen hatte und der Zeitplan durcheinander gekommen war. Das sah dann so aus, dass ich mich die acht Wochen im Arbeitszimmer eingeigelt und sogar auf einer Schlafcouch neben dem Schreibtisch geschlafen habe. Selbst als meine Frau für vier Tage ins Krankenhaus musst, habe ich sie dort nur einmal für ein Stündchen besucht.
Dagegen hat das Lektorat in der Redaktionsrunde nur zwei Tage gedauert, also das ist die Relation. Natürlich feilen wir in den zwei Tagen intensiv am Text herum und es wird noch viel geändert...

16. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, es war vor allem Zeitmangel...
KlausJöken

Re: Klaus Jöken beantwortet eure Fragen

Beitrag: # 47768Beitrag KlausJöken »

17. Generell geht beides. Man kann einen guten Text beim Übersetzen völlig versieben, und man kann einen schlechten Text verbessern. Ein guter Übersetzer sollte danach streben, besser zu sein als der Originalautor. Beim Comic ist das allerdings wesentlich schwieriger, weil man ja durch die Bilder gebunden ist. In einem Prosatext kann der Übersetzer Erklärungen einfügen, Überflüssiges streichen, Sätze oder Kapitel umstellen usw... Das alles geht im Comic nicht. Man kann nichts (nicht viel) hinzufügen, weil der Text dann nicht mehr in die Sprechblasen passt, man darf nichts streichen, weil die Blasen dann leer wären. Und man kann nichts umstellen, weil die Blasen nun mal so gezeichnet sind und nicht versetzt werden können. Dazu muss der Text auch immer zu den Bildern passen. Wenn die nicht witzig sind, dann kann ein lustiger Text einiges verbessern, aber nicht alles herausreißen.
also sind Handlungsstrang, Zeichnungen und Situationskomik wirklich lustig, kann man bei der Übersetzung nicht viel falsch machen. Man kann durch gute Formlierungen allerdings noch eins draufsetzen...
Und eine fade Handlung kann man dagegen durch witzige Dialoge aufheitern, aber genial wird der Comic insgesamt dadurch nicht.

18. Ich hatte mir im Vorfeld Wortspiele überlegt und für die Helme der Pikten das wunderschöne Wort "Piktenhaube" geprägt, natürlich inspiriert von der preußischen "Pickelhaube". Wie groß war da meine Enttäuschung, als ich das Manuskript bekam und die Pikten keine Helme trugen. Zum Glück hat Obelix in Fafnies Höhle noch einen Helm gefunden, der tatsächlich oben so eine Art Pickel hat! So war meine Wortschöpfung gerettet...
Das verdeutlicht auch die Schwierigkeit beim übersetzen. Der Textautor kann dem Zeichner sagen: "Zeichne mir dies und jenes." Also Übersetzer muss man von den fertigen Bildern ausgehen und versuchen, zu denen noch etwas anzupassen. Viele gute Gags kann man gleich wieder vergessen, was sehr frustrierend ist.
Persönlich glücklich bin ich auch über die Passage der "auf Streife" geschickten Pikten, deren Boot von Obelix mit einem Baumstammwurf versenkt wird. Im Original sagte der eine darauf wortwörtlich: "Mitten im Nebel von einem Baum gerammt! Das ist nicht normal!" und sein Kollege: "Schluss! Zurück nach Hause! Wir sagen, dass wir uns geirrt haben!" (Seite 28 / Blatt 24)
In meiner Version wird daraus: "Da heißt es immer, Wasser hat keine Balken! Verschwinden wir!" ... "Wir sagen, dass wir auf dem Holzweg waren!"
jaap_toorenaar
AsterIX Druid
Beiträge: 845
Registriert: 1. April 2006 11:09
Wohnort: Leiden Niederlande

Re: Klaus Jöken beantwortet eure Fragen

Beitrag: # 47770Beitrag jaap_toorenaar »

Lieber Klaus,
ich finde es toll, wie Du Dir im fernen Frankreich die Zeit nimmst, auf unsere Fragen so ausführlich einzugehen!! Wir lernen in kürzester Zeit sehr viel dazu, indem wir Deine Texte lesen. Ich habe hier in den Niederlanden den ndl. Übersetzer Frits van der Heide auf dieses Forum aufmerksam gemacht - er richtet Dir einen herzlichen kollegialen Gruß aus! Dabei zeigte er sich eifersüchtig, weil Du bei Ehapa wenigstens ein Gremium mit Kollegen hast, die die Übersetzung tüchtig durchackern. Er muss alles im Alleingang machen (wird aber ebenso wie Du in Paris noch mal kontrolliert). Vielleicht weißt Du, dass in den Niederlandenn die ersten 10 Abenteuer nicht nur neu koloriert wurden, s. auch neu übersetzt. Keine Sprache ändert sich ja so schnell wie die Sprache der Jugend. Letzte Woche bekam er den Auftrag, Nummer 11 bis 14 neu zu überarbeiten. Jetzt die Fragen:
19. Findest Du nicht auch, dass die Sprache der Jugend sich ändert? Wenn ja: sind dann die Texte der 60. Jahre in den Augen der jetzigen Jugend nicht veraltet (auch wenn Frau Penndorf eine tolle Leistung gebracht hat!!)?
20. Soll man aus der Tatsache, dass Frits Nummer 11 - 14 vorhat, folgern, dass diese auch neu koloriert werden?
Danke und herzlichen UND kollegialen Gruß - Du arbeitest ja auch für den Verlag Arboris wie ich;)
Jaap
Benutzeravatar
Erik
AsterIX Druid
Beiträge: 8062
Registriert: 8. August 2004 17:55
Wohnort: Deutschland

Re: Klaus Jöken beantwortet eure Fragen

Beitrag: # 47772Beitrag Erik »

Hallo Klaus Jöken,

vielen Dank für die sehr ausführlichen, teils ja sogar deutlich über die bloße Beantwortung der Fragen hinausreichenden Erklärungen. :-)

Interessant ist besonders, daß Du das Comic-Übersetzen als "Fließbandarbeit" bezeichnest. Das ist eigentlich natürlich schade, wenn man am Asterix sieht, was man mit entsprechendem Aufwand da herauholen kann. Klar aber, daß das nicht für jeden 08/15-Comic vom Verlag finanziert werden kann. Umso mehr zeigt sich daran dann wieder, daß es sich lohnt, gerade Asterix-Fan zu sein. Da bekommt man halt doch die beste Qualität geboten. :-D

Danach, ob Du als Übersetzer einen Comic auch versieben kannst, hatte ich übrigens bewußt nicht gefragt. Daß dies möglich ist, meinen ja nicht wenige Asterix-Liebhaber an der deutschen Übersetzung eines bestimmten Bandes von vor Deiner Zeit erkennen zu können. ;-) Daß dies so schnell nicht (mehr) passieren kann, scheint mir angesichts des großen Ernstes und (Zeit- wie Mittel-)Einsatzes, mit dem von allen Seiten (Verlag, Übersetzer) derzeit an das Thema herangegangen wird, aber ganz gut Sorge getragen zu sein. Persönlich würde ich mir vor allem eine weitere Kontinuität im Übersetzungsstil für die nächsten Jahre wünschen. Wechsel hat es in diesem Punkt innerhalb der Serie erst einmal genug gegeben.

Zur Sache mit dem "Wasser hat keine Balken" bzw. "auf dem Holzweg" noch: Gerade das ist ja auch wieder ein Beispiel, wo mit derselben Thematik bzw. Wortfamilie weiter hinten noch unheimlich viel gemacht wurde, wenn wir an die Sache mit dem "Zensurbalken" auf S. 39 f. denken.

Daß Du hingegen meinst, wir kratzen hier bei Comedix mit dem Entschlüsseln der Anspielungen und Wortspiele nur an der Oberfläche, erschüttert mich... ich dachte, wir wären hier mittlerweile so gut darin. ;-) ;-)

Gruß
Erik
"Alle sollt ihr noch sehen, daß ich habe recht!" (Erik der Blonde, Die große Überfahrt, S. 5)
KlausJöken

Re: Klaus Jöken beantwortet eure Fragen

Beitrag: # 47777Beitrag KlausJöken »

Hoi Jaap,
de beste groeten naar Nederland!

19. Ganz meiner Meinung, die deutsche Sprache hat sich seit 60 Jahren ja generell weiterentwickelt, und man könnte vor allem die ersten Bände ruhig etwas anpassen. Mich würde das sehr reizen. Leider ist das nicht so einfach, weil die Leser bestimmt keine Neuübersetzung akzeptieren würden. Mittlerweile sind die Texte ja zu Klassikern geworden... Andererseits müsste Frau Penndorf einer Überarbeitung der alten Übersetzungen zustimmen, weil sie die Rechte daran hat...
Allerdings bin ich gegen eine Anpassung an die Jugendsprache, weil die sich extrem schnell verändert. So eine Übersetzung kann man in vier Jahren wieder einstampfen. Außerdem spielt Asterix ja in der Antike, da darf die Sprache auch nicht zu modern wirken.

20. Die Kolorierung der ersten Asterix-Geschichten wurde ja seinerzeit ziemlich lieblos ausgeführt, darum lag es Uderzo am Herzen, die ganze Serie noch einmal einheitlich durchkolorieren zu lassen, um sie wie aus einem Guss der Nachwelt zu hinterlassen. Uderzo hat ja nie selbst koloriert, das machen nur sehr wenige Comiczeichner, und Uderzo sowieso nicht, weil er farbenblind ist.
Wenn die niederländischen Ausgabe neu übersetzt ist, liegt es nahe, dass der Verlag gleichzeitig auch die neue Kolorierung übernimmt. Obwohl ich da nichts Genaues weiß...
Eadulf

Re: Klaus Jöken beantwortet eure Fragen

Beitrag: # 47780Beitrag Eadulf »

Hallo Jaap,
Du hast gefragt:
20. Soll man aus der Tatsache, dass Frits Nummer 11 - 14 vorhat, folgern, dass diese auch neu koloriert werden?
Und Klaus hat schon geantwortet:
Wenn die niederländischen Ausgabe neu übersetzt ist, liegt es nahe, dass der Verlag gleichzeitig auch die neue Kolorierung übernimmt. Obwohl ich da nichts Genaues weiß...
Weil die neue Kolorierung in Frankreich schon für (fast?) alle Ausgaben vorliegt, achte ich es eigentlich 100% sicher dass man für die Neuausgabe in Holland die Neue Kolorierung übernimmt. Wahrscheinlich gibt es das alte Offsetfilm-Material schon nicht mehr.
Hans
(arbeitet sogar auch für Arboris...)
KlausJöken

Re: Klaus Jöken beantwortet eure Fragen

Beitrag: # 47781Beitrag KlausJöken »

Hallo Erik,

"Zur Sache mit dem "Wasser hat keine Balken" bzw. "auf dem Holzweg" noch: Gerade das ist ja auch wieder ein Beispiel, wo mit derselben Thematik bzw. Wortfamilie weiter hinten noch unheimlich viel gemacht wurde, wenn wir an die Sache mit dem "Zensurbalken" auf S. 39 f. denken."

Man hätte das noch viel weiter führen können, z.B. mit "Stammwählerschaft" oder "Die stammeln sich was zusammen." Aber irgendwann muss auch Schluss sein, sonst wird es nicht mehr lustig. Ein Wortspiel sollte sich in die Handlung einfügen und am besten Bezug zum Bild haben, dann ist alles möglich. Wenn nicht, wirkt selbst eine gute Pointe wie mit der Brechstange reingehebelt und fällt völlig flach.

"Daß Du hingegen meinst, wir kratzen hier bei Comedix mit dem Entschlüsseln der Anspielungen und Wortspiele nur an der Oberfläche, erschüttert mich... ich dachte, wir wären hier mittlerweile so gut darin. ;-) ;-)"

Ihr habt ja schon wahnsinnig viel zusammengetragen, trotzdem ist da noch viel Luft... Ich endecke selbst ständig Neues. Vor einigen Jahren habe ein CD-Rom für den Louvre übersetzt und fiel aus allen Wolken, was von den Kunstwerken dort alles in Asterix vorkommt. Würde sich lohnen, mal ein Buch daraus zu machen.

Grüße aus Gallien
Klaus
Remix

Re: Klaus Jöken beantwortet eure Fragen

Beitrag: # 47792Beitrag Remix »

jaap_toorenaar hat geschrieben: 19. Findest Du nicht auch, dass die Sprache der Jugend sich ändert? Wenn ja: sind dann die Texte der 60. Jahre in den Augen der jetzigen Jugend nicht veraltet (auch wenn Frau Penndorf eine tolle Leistung gebracht hat!!)?
Entschuldigung, wenn ich um Verzeihung bitte, dass ich mich hier einmische: Aber werden denn die französischen Originaltexte aus den 60ern angepasst? Ich kann mit der Sprache Goethes auch nichts anfangen, aber deshalb schreibt doch (hoffentlich) keiner den Werther um!
Antworten