Hallo,
es ist schon Mittag und es liegt noch kaum eine foreninterne Rezension vor? Das kann nicht so bleiben ...
Ich habe den Band gerade zuende gelesen, aber - bewußt - noch keine Rezension dazu, auch nicht die von Marco oben. Zunächst möchte ich meinen eigenen Eindruck schildern, dann werde ich andere Meinungen zur Kenntnis nehmen und mich ggf. mit ihnen auseinandersetzen.
"
Wie sind denn die Pikten so als Comic?" - Diese Frage, die mich wie wohl viele andere Asterix-Fans die letzten Tage und Wochen umgetrieben hat, würde ich nunmehr mit Obelix beantworten: "
Flach!"
Aber zunächst will ich mal mit dem Positiven beginnen: Was die Zeichnungen angeht, haben sich meine Besorgnisse nicht bestätigt. Man sieht zwar an der einen oder anderen Stelle Unterschiede zum Stil Uderzos, auch wenn man sie als Zeichenlaie nicht präzise festmachen kann. Doch das spielt letztlich auch keine große Rolle, denn die Zeichnungen sind sehr gelungen. Man kann hier sicherlich nicht von einer Verarmung an Details sprechen, es gibt eine ganze Reihe sich deutlich voneinander unterscheidender Charaktere und auch die Tierwelt kommt nicht zu kurz. Fafnie, die Vorfahrin von Nessie, scheint mir zwar etwas einfach im Stile eines kindgerechten Liebhabedinos gehalten zu sein. Aber mit Blick auf Tuun aus "Gallien in Gefahr" oder den Delphin in "Latraviata" ist das auch kein Stilbruch in Asterix.
Was die Geschichte angeht, hatte ich mir aber offen gesagt, deutlich mehr erhofft. Sicher, es ist endlich mal wieder ein Reiseabenteuer. Es enthält auch keine offensichtlichen Brüche mit dem Gewesenen, ist also keine Zumutung für den Asterix-Fan. Auch vermag die Geschichte fortlaufend 44 Seiten zu füllen, anders als in "Gefahr" und "Geburtstag" zuletzt. Aber dieser Geschichte fehlt jeder Pfiff, sie startet so lahm, wie sie endet. Und dazwischen plätschert sie müde vor sich hin. Da waren die ersten Bände, die Uderzo allein getxtet hat (man denke an "Graben", "Morgenland" oder Odyssee") mindestens ebenso gut.
Asterix und Obelix finden einen eingefrorenen Pikten, der nachdem er aufgetaut ist, (einigermaßen) munter durch das Dorf spaziert. Eigentlich müßte er tot sein. Ein Zaubertrank ist nicht im Spiel, später wird eher beiläufig erklärt, er habe es überlebt, weil sein Stamm soviel Malzwasser trinke. - Eine entsprechende Szene im Tim und Stuppi-Erstwerk wird
heute von Rezensenten auch als Schwäche angesehen. - Na gut, in einer Comic-Welt mit Zaubertränken, die bis hin zu Versteinerungen die dollsten Wirkungen haben können, und fliegenden Teppichen ist es wohl nicht ganz fair, Realismus zu verlangen. Und trotzdem ist mir das etwas zu weit hergeholt.
Der Pikte kann seitenlang nicht sprechen - wohl aber singen, was Borborygmen sein sollen; ich frage mich, wieviele Leser außer mir diesen Begriff erst einmal nachschlagen mußten -, erst auf Seite 17 geht es auf die Reise, nachdem er eine Karte von Kaledonien mit einem Kreuz in einen Hinkelstein meißeln konnte. Bis dahin gab es die eine oder andere komische Dorfszene, zu der dieser Volkszählungsrömer, Publius Plusminus, aber eher wenig beitragen konnte. Sein Auftrag und seine Herangehensweise bleiben eher unglaubwürdig und bieten nicht allzuviel Gag-Potenzial. Deutlich besser sind die Damen des Dorfes und ihre Hingezogenheit zum Pikten getroffen. Über Majestix' neue Umsichtigkeit in Schildfragen ist man als Leser erstaunt. Gleichwohl wurde m.E. tendenziell zuviel Raum damit vertan, Dorfszenen in ein Reiseabenteuer zu bringen.
Die Reise treten Asterix und Obelix mit dem Auftrag an, Mac Aphon nach Hause zu bringen. Unterwegs findet er Dank eines nun wirkenden Elixiers von Miraculix seine Stimme wieder. Er erzählt wortreich eine Liebesgeschichte zu einer Camilla, die von einem mächtigen Nebenbuhler begehert wird, der ihn aus dem Weg geräumt hat. Einfallsreich ist etwas anderes. In Kaledonien erfahren sie - welch eine Überraschung ... -, daß Camilla von Mac Abberh entführt wurde. Damit weitet sich unausgesprochen der Auftrag zu einer Rettungsaktion aus. Diese hätte wohl den Höhepunkt der Geschichte bilden können. Dazu kommt es aber nicht, denn die Gesuchte wird plötzlich zufällig von Asterix und Obelix gefunden, als sie in einer Höhle das zwischenzeitlich von der verspielten Fafnie geklaute Sprachelixier suchen wollen. Wieder am Tageslicht, klärt sich alles auf und der böse Mac Abberh, der sich auch noch mit den Römern verbündet hatte, bekommt seine verdiente Strafe.
Ein Kernproblem des Bandes: Weder Asterix und Obelix noch die Römer haben in dem Band irgendeine wesentliche Rolle. Im Grunde hätte die Geschichte auch mit beliebigen anderen Helden funktioniert. Diese Schwäche hat man seinerzeit schon "Asterix auf Korsika" vorgeworfen, doch konnte dieser Band das durch eine präzise und gelungene Karikierung des real bekannten Volkes der Korsen kompensieren. Das gelingt hier nicht. Die Pikten bleiben ein Phantasievolk, das mit den heutigen Schotten allenfalls punktuell in Verbindung zu bringen ist (Baumstammwurf, Whiskey, Namen). In den Charakteren kann man aber ihrem Verhalten nach nicht die heutigen Schotten sehen. Und auch deshalb bleibt die Geschichte ohne jeden Tiefgang. Flache Charaktere und eine gradlinie, ideenarme 08/15-Geschichte bieten zusammen leider nur einen ungenügenden Rahmen für den einen oder anderen gelungenen Witz.
Die Geschichte nimmt auch im Rahmen ihrer Möglichkeiten nie Fahrt auf. Goscinny hat es verstanden, eine Handlunh mit verhältnismäßig wenig Text darzustellen. In "Asterix bei den Pikten" werden große Teile der Geschichte sehr textreich in Monologen vorgetragen. Das ist eine Menge zu lesen und nimmt dem Fortgang jede Dynamik. Hinzu kommt, daß die Protagonisten eher lustlos zu agieren scheinen. Mac Aphon interagiert mit Asterix und Obelix sehr wenig. Diese reisen zwar mit, benutzen aber z.B. kaum einmal den Ausspruch "beim Teutates", der sonst als Bekräftigung oder zur Ankündigung einer energiegeladene Aktion mit Elan gedient hat. Lediglich vor der Abreise, im letzten Bild auf S. 16, kommt soetwas vor. Doch sind Obelix' Motive wohl eher das Aufeinandertreffen mit den Römern und haben mit den Pikten eher wenig zu tun. Den Auftrag, Camilla zu retten, nimmt Asterix (auf S. 32) vielmehr mit den Worten: "Dann haben wie keine andere Wahl!" an. Und das soll nicht etwa mit einer Befreiungsaktion geschehen, sondern durch ein Zur-Rede-Stellen von Mac Abberh, für das man die "spannende" Aufgabe übernimmt, den Sprach-Trank wiederzubeschaffen. - Ich glaube, hier wurde einiges an Möglichkeiten verschenkt.
Nein, mit "Asterix bei den Pikten" konnte leider nicht an die Glanzzeit von Asterix angeknüpft werden. Die bloße Tatsache einer Reise und einige gelungene Anspielungen (z.B. auf die aktuellen Debatten um die Asylpolitik) und Wortspiele vermögen das noch nicht herbeizuführen. Eine ideenreiche Geschichte, das Ausstatten neuer Charaktere mit klaren Charaktermerkmalen und ein präziserer Erzählstil wären dazu nötig. Damit ist der Band sicher hinter einigen Hoffnungen, die gerade mit dem Hinzutreten eines neuen, erfahrenen Texters verbunden waren, zurück geblieben. Aber natürlich muß man auch berücksichtigen, daß dies Ferri's und Conrad's Erstlings-Asterix ist. Auch Goscinny's erster Asterix-Band war bei weitem nicht sein bester. Ich kann nicht beurteilen, inwieweit ein Texter mit 54 Jahren sich noch weiterentwickeln kann. Aber zumindest die Zusammenarbeit zwischen Texter und Zeichner kann sich sicherlich einsspielen und zu besseren Ergebnissen führen. Es wurde in Interviews ja immer wieder gesagt, daß Uderzo und Goscinny sich so gut kannten, daß Goscinny beim Schreiben schon eine sehr genaue Vorstellung hatte, wie das fertige Bild von Uderzo zu seinem Text aussehen würde. - Wenn Ferri und Conrad dahin kommen, mögen vielleicht auch stringentere Geschichten entstehen.
Noch drei Anmerkungen zum eher "Handwerklichen":
Ich bedauere es sehr, daß die Schotten kein gemeinsames Suffix haben. Da sie Kelten sind, aber keine Briten, hätte sich -ex z.B. angeboten. Daß man mit dem Mac als Prefix Ähnliches gemacht hat, ersetzt dies m.E. nicht gut, weil nicht Asterix-typisch.
Ebenfalls schade finde ich, daß Obelix den Spruch "Die Spinnen, die ..." nicht bringt. Statt dessen sagt Asterix einmal (S. 27) "Die haben eine Macke." - Fast schon ein Stilbruch, jedenfalls aber ein Rückschritt. Das hätte es unter Gudrun Penndorf wahrscheinlich nicht gegeben.
Und schließlich fehlt mir bei den vielen Streitszenen (v.a.) zwischen Asterix und Obelix zumindest eine Szene der Versöhnung. Die unverbrüchliche Freundschaft zwischen den beiden wird zurecht als bekannt vorausgesetzt, sie darf aber trotzdem auch immer wieder einmal in Szene gesetzt werden. Denn auch das ist es, was die Gallier liebenswert macht.
Gruß
Erik